Am 8. Januar wollen die Bauern auch in Donauwörth demonstrieren und könnten die Stadt völlig lahmlegen. In weiteren Städten, wie in Augsburg, sind Protest-Veranstaltungen geplant. Was da wohl der Markus macht? Wird er sich einen Bundschuh auf seinen Weihnachtspullover stricken?
Ich habe es schon öfter erwähnt: Jeden Montag marschiert mein Schrauberbruder mit einem Fähnlein von Aufrechten seit den unseligen Coronazeiten um sieben abends durch unser idyllisches Schwabenstädtchen. Zwar sind die Hochzeiten der Bewegung vorbei, wo manchmal mehr als tausend Spaziergänger die Gehsteige verstopften, aber die liebgewonnene Gewohnheit wurde von hartgesottenen Protestierern beibehalten, wenn auch manchmal nur, um im Sommer auf dem Marktplatz ein Bier zu trinken und den neuesten Tratsch auszutauschen.
Sogar am Weihnachtstag wurde spaziert: Ich selber verzichtete wegen leichtem Schnupfen, aber mein Bruder trat an und kam zwei Stunden später mit den allerneuesten Nachrichten zurück: Für den 8. Januar sei eine Bauerndemonstration in Donauwörth geplant, schon fast 2.000 Teilnehmer hätten sich auf einer einschlägigen Whatsapp-Gruppe angemeldet, Tendenz steigend: Auch Kraftfahrer und Handwerker würden mitmachen, in summa: Da braue sich etwas zusammen.
Nicht jeder Achgut-Leser wird Donauwörth kennen: Einerseits ist die Stadt eine architektonische Perle, idyllisch gelegen am Zusammenfluss von Donau, Lech, Wörnitz und Zusam, mit dem Jura im Rücken, andererseits ist sie ein Standort von Industrien, wie Airbus und Eurocopter, prosperierend und teuer, wie viele Städte an der Donau, zum Beispiel Ulm, Ingolstadt oder Dingolfing. Die Sache hat Tradition: Vor genau 500 Jahren bildete sich hier an der Donau der Leipheimer Haufen, der Zusammenschluss aufständischer Bauern von Ulm bis eben Donauwörth. Schwaben und Franken waren Zentren des Bauernkrieges.
Auftritt als Bauernführer
Trotz aller Industrialisierung, die an der Donau erheblich ist: Die Gegend ist immer noch in gewisser Weise landwirtschaftlich geprägt. Vor einem halben Jahrhundert waren es die vielen Kleinbauern, die in den entstehenden Betrieben arbeiteten und ihre Landwirtschaft nebenbei betrieben. Fast jeder hat noch einen bäuerlichen Hintergrund, Verwandte, die in der Landwirtschaft arbeiten, und damit kann sich der Bauernprotest der Sympathie der Leute sicher sein.
Und schon 2.000 Demonstranten, vermutlich mit sperrigen Fahrzeugen, dürften das gute Donauwörth völlig lahmlegen. Wir haben schon den Stadtplan studiert und uns gefragt, wo die denn hinsollen, in Gottes Namen. Auf jeden Fall kann man gespannt sein. Auch in anderen, größeren Städten wie Augsburg sollen Veranstaltungen stattfinden. Was da wohl der Markus macht. Wird er sich einen Bundschuh auf seinen Weihnachtspullover stricken lassen und die Trommel führen, geradezu ein auferstandener Götz von Berlichingen?
Ein zweites Mal kann er ja nicht, wie in Erding, vor dem Aiwanger Hubert zurückstehen, der sicher als quasi natürlicher Bauernführer auftreten wird. Wir hoffen, dass die Sache besser ausgeht als vor 500 Jahren. Ähnlichkeiten gibt es ja. Was damals der Ablasshandel war, sind jetzt die CO2-Zertifikate, und der Peterspfennig zum Bau des Petersdoms fließt jetzt ins neue Kanzleramt. Donauwörth war öfter schon Zentrum politischer Auseinandersetzungen: Für Schiller das Tor zu Altbayern im Dreißigjährigen Krieg, wurde es mehrfach überrannt, sei es von den Schweden oder von der Liga: Wird es nun der Ausgangspunkt tiefgreifender Veränderungen?
Hubert Geißler stammt aus Bayern und war Lehrer für Kunst/Deutsch/Geschichte. Er schreibt diese Serie zusammen mit seinem Bruder.
Bernhard Geißler gehört zu den sogenannten Fachkräften und Technikern, also zum gut ausgebildeten Teil der produktiven Arbeiterschaft, hier kurz „Schrauber“ genannt. Der arbeitet viel, kommt aber selten zu Wort, was diese Serie ein wenig wettmachen will.