Orit Arfa, Gastautorin / 25.02.2024 / 14:00 / Foto: Achgut.com / 25 / Seite ausdrucken

„Wir erleben den erfolgreichen Export des Hamas-Narrativs“

Der bekannte Rabbiner Abraham Cooper traf bereits viele deutsche Politiker. Im Gespräch mit Orit Arfa sorgt er sich um den Einfluss der Hamas auf den Westen.

Ist Deutschland im Kampf gegen Antisemitismus besser aufgestellt als andere Länder? Am 2. Februar, zwei Tage nachdem ich für Achgut ein Interview mit Rabbiner Abraham Cooper, dem stellvertretenden Direktor des Simon Wiesenthal Centers in Los Angeles geführt hatte, wurde ein jüdischer Student in Berlin von einem pro-palästinensischen Kommilitonen zusammengeschlagen, sodass seine Kopfverletzungen operiert werden mussten. Berlins Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege, Ina Czyborra, wurde vom Zentralrat der Juden scharf kritisiert, weil sie sich dafür aussprach, dass kein Student aus „politischen Gründen“ exmatrikuliert werden dürfe.

„Es ist eine absolute Schande, dass im 21. Jahrhundert jüdische Schüler in Deutschland Mobbing, Drohungen und körperlicher Gewalt ausgesetzt sind“, sagte Cooper dazu. „Es ist an der Zeit, mit der Scharade Schluss zu machen, dass Antizionismus etwas anderes ist als ein dünn getarnter Antisemitismus. Die Forderung nach der Vernichtung des einzigen jüdischen Staates der Welt ist kein Protest, sondern ein Aufruf zum Völkermord.“

Ironischerweise schien Deutschland vor diesem Vorfall bei der Bekämpfung des Antisemitismus und der Verhinderung gewalttätiger Ausbrüche auf den Straßen und an den Universitäten besser abzuschneiden als Coopers eigenes Land und seine eigene Stadt. Coopers Büro befindet sich direkt gegenüber des Museum of Tolerance in Los Angeles. Das Museum wurde 1993 als Bildungseinrichtung der jüdischen NGO Simon Wiesenthal Center (SWC) gegründet, um „Nie wieder“ zu gewährleisten.

Am 8. November zeigte das Museum den Film „Bearing Witness“ („Zeugnis ablegen“), eine weitreichende 45-minütige Zusammenstellung der Schrecken des Hamas-Massakers vom 7. Oktober an 1400 Israelis im Süden Israels. Pro-palästinensische Demonstranten versuchten, die Menschen daran zu hindern, die Vorführung zu besuchen und die Wahrheit zu erfahren – eine zeitgenössische Fortsetzung der Holocaust-Leugnun, wie Cooper sagt. Ein Handgemenge brach aus. Keiner wurde verletzt.

Mit genähter Kopfwunde zum Synagogengottesdienst

Einige Tage zuvor wurde in einem Vorort von Los Angeles ein jüdischer Mann, Paul Kessler, mutmaßlich von einem pro-palästinensischen Demonstranten zu Boden gestoßen, als er eine israelische Flagge schwenkte, um sich dem Protest entgegenzustellen. Er starb an seinen Kopfverletzungen. Der Verdächtige ist wegen fahrlässiger Tötung angeklagt.

Einen Monat später beschimpfte ein Mann in Beverly Hills ein jüdisches Ehepaar antisemitisch – beide über 70 –, das auf dem Weg zur Synagoge war, und schlug dem älteren Mann mit einem Gürtel auf den Kopf. Der Polizei gelang es, den Täter kurze Zeit später zu verhaften. Das männliche Opfer schaffte es schließlich noch – mit genähter Kopfwunde – zum morgendlichen Synagogengottesdienst.

„Seit dem 7. Oktober würde ich sagen, dass wir den erfolgreichen Export des Hamas-Narrativs erleben“, sagte Cooper in unserem Video-Interview. „Zuerst in Europa und jetzt in Nordamerika und anderswo. Das pro-palästinensische Narrativ und alles, was damit einhergeht, besteht im Wesentlichen aus der Verbreitung von antisemitischem Gift, Mobbing, Einschüchterung und auch Versuchen, Juden aus dem Mainstream des Lebens zu verdrängen. Das gilt nicht nur für Deutschland.“

„Qualitativ war das eine ganz andere Dimension“

Gewalt gegen Juden auf der Straße ruft oft Vergleiche mit dem Deutschland der 1930er Jahre hervor, und Deutschlands Nazi-Vergangenheit macht es ohnehin zu einem Brennpunkt für jüdische Menschenrechtsgruppen wie das Simon Wiesenthal Center. Doch eine Zeit lang schien es, als würde Deutschland in diesem Punkt besser abschneiden als andere Länder, insbesondere Großbritannien, wo ein pro-palästinensischer Aktivist offen dazu aufrief, „die Massaker als Status quo“ zu normalisieren.

Am vergangenen Mittwoch wurde der Slogan „From the river to the sea – palestine will be free“ auf den Londoner Big Ben projiziert, während Pro-Palästina-Aktivisten vor dem House of Parliament demonstrierten. Laut Daily Mail sei völlig unklar, wie die Erlaubnis zur Projektion des Spruches zustande kam. Man brauche eine Erlaubnis sowohl vom Sprecher des Unterhauses als auch von den Planern des Stadtrats von Westminster, um legal Schriftzüge auf den Parlamentskomplex projizieren zu können.

Die deutsche Polizei ging vergleichsweise eifrig gegen pro-palästinensische Kundgebungen und ihre unvermeidlichen völkermörderischen Slogans vor. Nach dem 7. Oktober hatte Cooper gesagt, er sei beeindruckt von den starken Unterstützungsbekundungen Deutschlands für Israel, den Solidaritätsbesuchen im Süden Israels und den aggressiveren Aufrufen zum Umgang mit Antisemitismus. Dies veranlasste ihn zu einem Besuch bei deutschen Abgeordneten und Ministeriumsvertretern im Dezember. „Etwas Tiefgreifendes hatte stattgefunden“, sagte er mir. „Sie wollten nicht, dass sich dies auf den Straßen Deutschlands abspielt. Qualitativ war das eine ganz andere Dimension.“

Das Gepäck der Wirtschaftsmigranten

Als ich mich im November 2019 für Achgut mit Rabbi Cooper traf, äußerte er seine Bestürzung darüber, dass Deutschland den Antisemitismus (der oft als Antizionismus getarnt ist), der von den Linken und Islamisten und insbesondere von den „Wirtschaftsflüchtlingen und anderen aus dem Maghreb und Afrika“ ausgeht, unterbewertet. An dieser Front gibt es eine Verbesserung.

„Sie stellen endlich die Fragen, die das Simon-Wiesenthal-Zentrum ihnen vor Covid gestellt hat: ‚Was tun Sie gegen das Gepäck, das (die Migranten) aus ihren eigenen Gesellschaften mitbringen, wenn es um Antisemitismus geht und wenn es um Einstellungen zu Demokratie und Frauen und so weiter geht?‘“ 

Cooper hat den „Correctiv“-Skandal und die darauffolgenden landesweiten Proteste gegen die AfD und die deutsche Rechte nicht genau verfolgt, aber er ist der Meinung, dass niemand über den Aufstieg der AfD sowie extreme Gruppen an beiden Enden des Spektrums überrascht sein sollte, solange „die großen Parteien versuchen, die Aufmerksamkeit davon abzulenken – denn das sind schwierige Themen –, dass sie keine Lösungen für diese Probleme haben“.

Zu früh für ein „Schulterklopfen“

Deutschland ist auch weit davon entfernt, ein anderes großes Problem zu beheben: sein Beharren auf Geschäften mit dem judenhassenden, den Holocaust leugnenden und den Terrorismus finanzierenden Regime im Iran. Im Jahr 2019 versuchte Deutschland, die Sanktionen zu umgehen, die die Trump-Regierung gegen den Iran verhängt hatte, nachdem Donald Trump aus dem „Iran-Deal“ ausgestiegen war.

Heutzutage kritisiert Cooper gleichermaßen die Beschwichtigung des Irans durch die Regierung Biden angesichts der Finanzierung antisemitischer Stellvertreter wie Hamas und Hisbollah und der brutalen Behandlung Andersdenkender, insbesondere von Frauen. Die Biden-Regierung hatte auch Trumps Finanzierungsstopp für das Palästinenserhilfswerk UNRWA aufgehoben, dessen Mitarbeiter vor kurzem als Hamas-Terroristen entlarvt worden waren. Die USA haben sich vor kurzem zusammen mit Deutschland verpflichtet, die Mittel für das Hilfswerk zu streichen.

Trotz einiger Fortschritte bei der Bekämpfung des Antisemitismus in der neuen Realität nach dem 7. Oktober, ist es noch zu früh für ein „Schulterklopfen“. Seit dem 7. Oktober haben jüdische Familien, Einzelpersonen und Studenten in Deutschland mehr Angst denn je, offen als Juden zu leben. „Es bleibt abzuwarten, ob sich das Umfeld in Deutschland so verändern kann oder wird, dass das jüdische Volk das Gefühl hat, eine Zukunft zu haben“, sagt Cooper.

 

Orit Arfa, geb. in Los Angeles, lebte über 12 Jahre in Israel und schreibt regelmäßig für die Jerusalem Post, das Jewish Journal of Los Angeles und den Jewish News Service. Ihr erstes Buch, „Die Siedlerin“, behandelt die Folgen des Abzugs aus dem Gazastreifen; „Underskin“ ist eine deutsch-jüdischen Liebesgeschichte.

Foto: Achgut.com

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Leserpost

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Burkhard Mundt / 25.02.2024

Mit Prosecco und Bussi, Bussi: Sympathie für den Teufel, weil es chic ist. Wie damals bei der RAF.

Talman Rahmenschneider / 25.02.2024

Hamas und ihre Anhänger: Die SA des Globalsozialismus, konsequent unterstützt von den UN, die von Anbeginn antisemitisch war. “Rising from the ruins of World War II, both Israel and the United Nations have been on a collision-course ever since, as radical Islam, left-wing agendas, and European meddling have undermined democratic efforts to topple totalitarianism. In a fascinating bit of research that doubles as critical analysis and gripping narrative, Alex Grobman shines a light on the radical agenda of the United Nations to weaken Israel’s security, foment anti-semitism, and by extension, hurt the Jewish state’s chief ally, the United States.” Alex Grobman, Nations United: How the United Nations Is Undermining Israel and the West…....Von nichts kommt nichts. Die Ablehnung kommt von oben. Via Iran ist die Hamas der useful idiot. Der jetzige GS ist besonders schwer zu ertragen.

Wilfried Düring / 25.02.2024

@Boris Kotchoubey: Genauso ist es! Man muß sich nur anschauen, wer HAMAS, UNRWA und AntiFA finanziert. Zu einem guten Teil jeweils: die BUNTE Republik bzw. deren Regime!

Volker Kleinophorst / 25.02.2024

Schon xmal gepostet: Zu verstehen das Hamas, Hisbollah soziale Bewegungen sind, fortschrittlich, Linke sind, Teil der globalen Linken, ist extrem wichtig.” Judith Butler, “Erfinderin” der Queerideologie, Chefideologen des woke-linken Feminismus. Dennoch lebt sie ihre lesbische Ehe, ihr Leben als Frau lieber in New York als in Gaza. Wie zu Zeiten der RAF aber jetzt staatstragend.

T. Weidner / 25.02.2024

Vielleicht ist jetzt nach 89 Jahren die Zeit reif, die atombombige Frage zu stellen, ob der angloamerikanische Antisemitismus der Jahre 1930-45 nicht !!! WESENTLICH !!!! ausgeprägter und BÖSARTIGER war, als die Sieger des 2. Wk. die ganze Welt glauben machten?

L. Luhmann / 25.02.2024

Es ist der Islam. Es sind die Mohammedaner. Punkt. Fertig. Aus ...

Markus Kranz / 25.02.2024

Das Gegenteil ist der Fall: Die Hamas/IS haben die Narration vom intoleranten Westen von den Linken *übernommen*. Ihre Propagandabroschüren lesen sich wie ein Bundesparteitag der Grünen, auf dem über die Bosheit des Westens, den Kapitalismus, die Intoleranz geschimpft wird. & die Linken im Westen haben schlicht kein Problem damit, dass echte Völkermörder ihre Sprechblasen für sich nutzen.

Boris Kotchoubey / 25.02.2024

Nein, das ist kein Hamas-Narrativ, die Sache ist viel ernstafter. Das ist ein Uno-Narrativ, und Hamas ist nur eine Abteilung der Uno, verbunden mit UNRWA. Wer glaubt, dass Hamas der Grund der Probleme im Nahen Osten ist, könnte ebenfalls glauben, dass Antifa für alle Probleme in Deutschland verantwortlich ist. Die beiden sind nur die Schlägertruppen, die von viel wichtigeren Strukturen gesteuert werden.

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