Amos Zweig, Gastautor / 17.12.2019 / 16:00 / Foto: Bundesarchiv / 7 / Seite ausdrucken

Die Bevorzugten

Von Amos Zweig.

Kürzlich hat mir ein Kollege in einem interessanten Gespräch erklärt, wieso er sich entschieden hat, ein Elektroauto zu kaufen. Er hat eine solide wirtschaftliche Kostenrechnung gemacht, und ist zur Schlussfolgerung gekommen, dass er so über 10 Jahre circa 40.000 CHF (circa 36.500 Euro, Anm. d. Red.) sparen wird. Dies liegt unter anderem daran, dass Benzin in der Schweiz mit 75 Prozent besteuert wird, und dass Elektroautos in einigen Kantonen keine Einfuhrsteuern zahlen müssen, dass teilweise die Motorfahrzeugsteuer erlassen oder reduziert wird (siehe hier und hier), dass der Kauf mit bis zu bis zu 5.000 CHF (ca. 4.500 Euro, Anm. d. Red.) subventioniert wird und dass Ladestationen ebenfalls subventioniert werden. Die Liste geht weiter…

Wir sind dann von der wirtschaftlichen Betrachtung des Einzelnen auf die Betrachtung der Gesellschaft als Ganzes gekommen. Ich habe angemerkt, dass ich immer sehr skeptisch bin, wenn der Staat durch zentralplanerische Eingriffe versucht, die Wirtschaft in eine Richtung zu lenken. Klar kann man eine Technologie subventionieren, und eine andere besteuern, aber je mehr solcher Eskapaden eine Gesellschaft sich erlaubt, umso mehr wird der Markt verzerrt, und umso mehr komische, unbeabsichtigte, und unerwünschte Nebeneffekte können auftreten. 

Dabei ist es essentiell zu verstehen, dass niemand diese negativen Nebeneffekte vorhersehen kann. Der Markt ist so ein komplexes System, dass man schlicht nicht sagen kann, was für Effekte es hat, wenn man hier ein bisschen zieht oder da ein bisschen drückt. Laut einer Studie führt zum Beispiel die Velohelmpflicht in den meisten Fällen zu einer Steigerung der Gesundheitskosten, da insbesondere Jugendliche oft keine Lust auf Velohelme haben und deshalb weniger Velo fahren, also weniger Bewegung haben, was negative Gesundheitseffekte hat.

Ein anderes bekanntes Beispiel ist die Prohibition von Drogen, die stets zu einem dramatischen Anstieg der Kriminalität führt. Diese Beispiele sollen bloß zeigen, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass solch radikale Eingriffe in eine der größten weltweiten Industrien sehr massive unbeabsichtigte Konsequenzen haben werden, die nicht alle positiv sein werden. In Anbetracht der Tatsache, dass es nicht bewiesen ist, dass menschgemachtes CO2 der Haupttreiber des Klimawandels ist, oder dass CO2 Sparen die effektivste Gegenmassnahme dagegen ist, muss man diesen wilden politischen Eifer zumindest skeptisch betrachten.

Regeln müssen angepasst werden können

Mein Kollege meinte dann, er sähe das Ganze halt ein bisschen wie ein Spiel. Alle versuchen die Regeln so zu beeinflussen, dass sie für sich selbst am besten sind – Firmen, staatliche Apparate, Interessensgruppen, und Individuen. Und er spielt da halt mit und fällt die besten Entscheidungen für sich selbst. Schließlich kann er alleine die Regeln ja auch nicht ändern. Und momentan sieht er den gesellschaftlichen Trend halt ganz klar in diese Richtung gehen, und darum sah er den Kauf eines Elektroautos auch als die klügste Entscheidung.

Natürlich möchte ich weder ihm noch sonst irgendwem einen Vorwurf deswegen machen. Ich finde es sinnvoll und richtig, dass jeder – im Rahmen seines eigenen Gewissens – versucht, sich so gut wie möglich innerhalb der gesellschaftlichen Spielregeln zu positionieren. Man kann die Gesellschaft durchaus mit einem Spiel vergleichen, in dem verschiedene Spieler alleine oder in Teams versuchen, sich in eine bessere Position zu manövrieren. Das interessante dabei ist, dass alle, während das Spiel läuft, gleichzeitig die Regeln konstant neu verhandeln und anpassen. Dies ist auch sinnvoll und muss auch so sein, denn die Umwelt verändert sich, und die Regeln müssen der neuen Umwelt angepasst werden können.

Man muss jedoch tunlichst darauf achten, dass die Regeln fair bleiben. Menschen haben ein inhärentes Gefühl dafür, ob die Regeln der Gesellschaft fair sind oder nicht. Und wenn die Regeln unfair werden, dann beginnen die Benachteiligten zu murren und spielen vermehrt nur noch widerwillig mit. Präferentielle Gesetze, Sonder-Ausnahmebewilligungen, und individuell angepasste Steuern empfinden die meisten Menschen zum Beispiel als unfair. „Wieso soll dem sein Arbeitsplatz subventioniert werden, und meiner vernichtet?“ „Wieso soll ich hohe Steuern zahlen, und die Reichen irgendwelche Steuerschlupflöcher haben?“ „Wieso soll meine Pension von der Inflation weggefressen werden, während die ungewählten, verantwortlichen EU-Bürokraten in steuerfreien Zulagen schwimmen?“

Perfekt fair sind die Regeln nie, und mangels Alternativen sind die Menschen auch immer bereit, unfaire Regeln zu einem gewissen Grad zu erdulden. Es gibt ja nicht gerade nebenan eine andere Gesellschaft, in der die Regeln so viel fairer wären, oder unendlich viel Platz seine eigene, neue Gesellschaft zu gründen. Werden die Regeln aber zu einseitig, dann weigern sich mehr und mehr Menschen mitzuspielen. Und dieser Umstand ist extrem gefährlich! Denn wenn die Menschen nicht mehr alle in einem gemeinsamen Spiel vereint sind, dann gibt es, wie man so schön sagt, keine Regeln mehr. Und dann geht alles, und das wird meistens sehr schnell sehr hässlich.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog von Amos Zweig.

Foto: Bundesarchiv CC BY-SA 3.0 de via Wikimedia

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Leserpost

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Ulrich Rausch / 17.12.2019

Ich sehe das anders. Wir haben ein paar Sonnenkollektoren auf dem Dach, die uns mit warmem Wasser versorgen, wenn die Sonne scheint; das ist in Ordnung. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach fände ich dagegen unanständig, auch wenn man damit womöglich Geld verdienen könnte. Denn jeder Euro, den man mit dieser in unseren Breiten an sich völlig unwirtschaftlichen Technik verdient, stammt ausschließlich aus Subventionen, die der Allgemeinheit abgepreßt werden.

R. Schmidt / 17.12.2019

In diesem Zusammenhang gehen mir immer wieder viele Fragen durch den Kopf: - Warum bedurfte es damals keiner Subventionen, damit Leute von den die Innenstädte vollscheiß...…. Pferdefuhrwerken und Kutschen auf Kraftfahrzeuge umgestiegen sind? - Warum bedurfte es keiner Subventionen ein flächendeckendes Tankstellensystem für diese Kraftfahrzeuge aufzubauen? - Warum muss auch ein Geringverdiener mit seinen Steuern neureiche Grüne beim Kauf eines E-Mobils, das er sich selbst nie leisten können wird, subventionieren? - Warum sollen jetzt alle Steuerzahler dafür aufkommen eine entsprechende Ladeinfrastruktur zu schaffen?

S. v. Belino / 17.12.2019

Auf genau diese Einstellung des Kollegen - sowie auf sein daraus resultierendes (Kauf-)Verhalten - können Politik und Wirtschaft getrost bauen. Sie tun es auch.

Thomas Taterka / 17.12.2019

Eine enorme Verunsicherung des Einzelnen hat Einzug erhalten , besonders im Arbeitsleben. Ich vergleiche das privat gerne mit der Überquerung eines Gewässers, eines Sees zum Beispiel, der weder vollständig aufgetaut noch zugefroren ist. Die meisten Menschen gehen nicht mehr aus sich heraus, aus Angst. In der Schweiz wird das nicht so schlimm sein wie in Berlin, wo man das als Beklemmung manchmal nachgerade fühlen kann : ein falsches Wort am falschen Ort und du bist ... draußen.

Heinz Gerhard Schäfer / 17.12.2019

Zitat Ayn Rand:  “We can evade reality, but we cannot evade the consequences of evading reality.” Was werden die Konsequenzen einer solchen ideologischen Realitätsverweigerung durch staatliche Eingriffe in den Markt sein? Nicht nur der Zusammenbruch unserer Zappelstromversorgung, sondern mittelfristig auch der Zusammenbruch unserer Gesellschaft. Nochmal sinngemäß zu Ayn Rand: Wenn Sie sehen, dass der Staat Ihre Geschäfte (auch unter Zwang) lenkt, dass man, um produzieren zu können, die Genehmigung von Leuten braucht, die nichts produzieren (außer Vorschriften, siehe Landwirtschaft), dass Geld jenen zufließt, die nicht mit Gütern, sondern mit Vergünstigen (Subventionen z.B. E-Autos) handeln, dass Menschen durch Bestechung und Beziehungen (z.B. Plätze auf Parteilisten) reich werden (z.B. Diäten) und nicht durch Arbeit, dass das Gesetz Sie nicht mehr vor der Regierung schützt sondern diese Leute vor Ihnen (z.B. Meinungsfreiheit, Kampf gegen Rechts), dass Korruption belohnt und Ehrlichkeit bestraft wird, dann wissen Sie, dass Ihre Gesellschaft vor dem Untergang steht!  „

Sabine Schönfelder / 17.12.2019

...wenn das seine ‘klügste Entscheidung ist’, wollen wir über andere kluge Entscheidungen Ihres Freundes nicht informiert werden. Er fährt mit ‘begrenztem Schaum’ E-Auto, denn seine Reichweite ist im Verhältnis zum Benziner oder Diesel erheblich eingeschränkt, und er ist nebenbei, von vielerlei äußeren Umständen (Wetter, Temperatur, Geschwindigkeit) abhängig. Er wartet bedeutend länger beim Tanken und unterstützt Kinderarbeit und Atomkraft, denn Wind und Sonne können sein kleines E-Auto nicht ausschließlich ‘ernähren’. Aber das ist ihrem Freund wohl egal, denn er scheint ein ’ Pfennigfuchser’ zu sein. Wenn es schön leuchtet und gut aussieht, kaufte er auch eine Nachttisch-Lampe deren Schirm aus Menschenhaut besteht, vorausgesetzt sie ist günstig; und im Gegensatz zu seiner E-Karre noch ökologisch, nachhaltig und paßt in die braune Tonne. Wohl dem, der solche Freunde besitzt!

Lisa-Karin Leigenbruch / 17.12.2019

Momentan weiß man nicht, welche Investition sich in ein paar Jahren gelohnt haben wird. Was ist mit den E-Autos, wenn Europas Wirtschaft abschmiert? Dieses Szenario halte ich für das wahrscheinlichste. Ich glaube außerdem nicht daran, dass Europa eine ausreichende Ladeinfrastruktur rechtzeitig aufbauen kann. Für nur 40000 gibt es ja auch nur ein Mini-Autoli.

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