Die fatale Logik des „Wir“ und „Die“ 

In Zeiten der Entnationalisierung richtet sich das gruppenbezogene Ressentiment zunehmend nach innen – gegen das Eigene und die Nächsten. In diesem Fall: die „Nazis“.

So wie es in der menschlichen Natur ein Bedürfnis gibt, sich in den Dienst von etwas Höherem zu stellen, so gibt es unzweifelhaft auch die natürliche Bestrebung, sich gegen andere Menschen abgrenzen zu wollen. In der Sozialpsychologie spricht man in diesem Zusammenhang von Ingroup-Outgroup-Phänomenen, womit das identitätsstiftende Verlangen nach Zugehörigkeit zu einer Eigengruppe (in Abgrenzung zu einer Fremdgruppe) und den entsprechenden Haltungen der eigenen Überhöhung bei gleichzeitiger Abwertung der „Anderen“ beschrieben wird. 

Im alten Europa bezog sich dieses Bedürfnis nach sozialer Identität („Wir“) durch Abgrenzung gegen Andere („Die“) oft auf Nachbarnationen wie „dem Franzosen“, „dem Engländer“ oder „dem Russen“. Heute, in Zeiten der Entnationalisierung, richtet sich das gruppenbezogene Ressentiment zunehmend nach innen – gegen das Eigene und die Nächsten. Wie man kürzlich wieder beobachten konnte, ist es längst zur Mode geworden, sich als Ziel der Fremdgruppenabwertung die vermeintlich allgegenwärtigen (imaginierten) „Nazis“ auszusuchen. Wobei für viele Angehörige des grünlinken Juste Milieu schon jeder ein „Nazi“ ist, der Zweifel an ihrer konformistischen Weltanschauung äußert und sich kritisch etwa mit Fragen der „Klimaapokalypse“, des Migrationschaos oder der destruktiven Wendepolitik auseinandersetzen möchte. 

Die wahren Nazis von heute aber, wie etwa die Schlächter der Hamas und des Islamischen Staates, die Taliban oder das iranische Mullah-Regime (Aufzählung unvollständig!), bleiben bei den selbstgerechten Nazi-Jägern oft außen vor. Lieber diffamiert man (demokratische) Liberale, Liberal-Konservative und (Wert-)Konservative – allgemeiner gesprochen: Andersdenkende als „rechts“ (womit immer auch gleich rechtsradikal = rechtsextrem = Demokratie- und Menschenfeind = Nazi mitgemeint ist) und wirft sie in einen Topf mit dem in Wahrheit recht überschaubaren Haufen an ewiggestrigen NS- und Hitler-Anhängern. 

Stigmatisierung und Entmenschlichung der Fremdgruppe

Vielen scheint nicht bewusst zu sein, dass sie damit einem fatalen psychologischen Mechanismus auf den Leim gegangen sind. Dieser basiert auf einem naturgegebenen Antrieb, der von den Demagogen dieser Welt schon von jeher dazu missbraucht wurde, um die Menschen zu spalten und gegeneinander aufzuhetzen. Die Taktik der totalen Herabwürdigung der Angehörigen der Fremdgruppe führt in letzter Konsequenz zu deren Stigmatisierung und Entmenschlichung. Die dieser Logik inhärente moralische und emotionale Überhöhung der Eigengruppe entfesselt eine fatale Dynamik, die die Verfolgung, Verletzung und sogar die Vernichtung (Tötung) der verhassten „Anderen“ als legitim erscheinen lässt.

Das alles ist überhaupt nichts Neues. Man könnte das wissen. Entsprechendes Anschauungsmaterial dafür gibt es aus allen Zeiten und Kulturen zuhauf. Zum Schluss noch ein paar Zitate, die sich all jene hinter die Ohren schreiben sollten, die es offenbar für völlig unbedenklich halten, gegen die demokratisch legitimen und von der Meinungsfreiheit gedeckten Ansichten Andersdenkender zu hetzen und diese mit Hassvokabeln wie „rechts(extrem)“, „rassistisch“, „menschenfeindlich“, „faschistisch“ und „nazi“ zu überziehen. Totalitarismus beginnt immer mit maßlosen Übertreibungen! 

„Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: ,Ich bin der Faschismus‘. Nein, er wird sagen: ,Ich bin der Antifaschismus.‘“ (Ignazio Silone) 

„Je länger das Dritte Reich tot ist, umso stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen.“ (Johannes Gross) 

„Keiner Ideologie verfallen, den eigenen Verstand einsetzen, Entwicklungen und staatliche Vorgaben kritisch hinterfragen, die Freiheit des Denkens, der Meinung und die Unabhängigkeit der eigenen Existenz verteidigen.“ (Vera Lengsfeld)

 

Hans Scheuerlein ist gelernter Musikalienfachverkäufer. Später glaubte er, noch Soziologie, Psychologie und Politik studieren zu müssen. Seine Leidenschaft gehörte aber immer der Musik.

Foto: Fabian Nicolay

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Leserpost

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Sam Lowry / 28.01.2024

@Thomas Szabó: Perfekt analysiert und erklärt. So ist es. Chapeau…

Max Mützee / 28.01.2024

... der deutsche(!) Film “Die Welle” beschreibt genau diese Einstellung und Dynamik - sollte in Schulen eigentluch Pflichtstoff sein angesichts der deutschen Geschichte und den aktuell aufscheinenden gesellschaftlichen Entwicklungen ...

Rolf Lindner / 28.01.2024

DEMONSTRIEREN FÜR DEN UNTERGANG - Im deutsche Volk wieder in Teilen zeigt sich ein seltsames Gebaren, sie sich am Stuss derer aufgeilen, die das Land in den Abgrund fahren. - Nützt nur den Aktien das Palaver von Kriegsfurie Strack-Zimmermann, liegen im Feld Russenkadaver, steigen die Dividenden an. - Dafür gehen sie auf die Straßen, gegen Rechte zu demonstrieren, weil sie deutlich all jene hassen, die nicht für ihren Krieg votieren. - Anbeten sie Todespropheten, in ihrer Dummheit sie nicht hören das Blasen linker Kriegstrompeten, lassen sich von Mördern betören. - Wenn sie jetzt auf den Straßen krähen, gegen die für den Frieden stehen, was letztens schon ‘mal fast geschehen, wird Deutschland jetzt ganz untergehen. - Bleibt am Ende nur zu hoffen, dass viele, die heut’ noch besoffen, spätestens bei den nächsten Wahlen erlösen uns von Ampelqualen.

Birgit Hofmann / 28.01.2024

Wie sagte mein Vater ( mit 15 j. noch in den Krieg im polnischen Schützengraben gekommen ) immer : Der Hitler wird uns noch in 500 j. verfolgen, der Typ lebt ewig weiter. Tja, da hatte mein Vater wohl recht, zumindest was die Komplexität des eigentlichen ’ Nazis’ und der ewigen Schuld betrifft. Andere Länder haben das nicht, oder gehen mit ihrer historischen Vergangenheit anders um. Ein Amerikaner,  den ich im Berufsleben kannte , sagte mal zu mir : Ihr Deutschen habt raffinierte Regierungen, dadurch das sie euch ewig an euere Schuld erinnern, halten sie euch klein und manipulieren euch , zu ihrem eigenen Vorteil, wie wahr. Ich möchte anmerken, die Familie meiner Mutter hat jüdische Wurzeln .

sybille eden / 28.01.2024

Wiedermal DANKE, Herr SZABO !  Ich verleihe ihnen Hiermit den ” kleinen Nobelpreis der Leserpost !” ( Mit freundlicher Erlaubnisss von Herrn Broder, hoffentlich….... )

Bernd Oberegger / 28.01.2024

Deutscher Erfindergeist 2024: Nazis. Basteln wir uns Nazis. Hilfreich ist es dabei, einen Spiegel aufzustellen.

Thomas Taterka / 28.01.2024

Abgesehen von seiner politischen Bedeutung , ist der Begriff ” Nazi ” ein Schimpfwort der Umgangssprache . Es meint z. B. : kalt berechnend , herzlos , durchtrieben , Charakterschwein , fanatischer Egoist , verlogen , im besetzten Frankreich meinte ” avoir le Nazi ” geschlechtskrank . Letzteres erfahren Sie in Erwin Blumenfelds ” Durch tausendjährige Zeit ” , oder in Erich Maria Remarques ” Arc de Triomphe ” ( verdammt gut verfilmt von Lewis Milestone ) oder aus den Nachkriegsreportagen über Paris von Georg Stefan Troller . Nazi meint umgangssprachlich alles , was man verabscheut und andere nicht leben lassen will ( Nazibürokratie ) . Es ist eine sprachliche Kundgebung des Ekels , ob angedichtet oder wahr spielt dabei fast eine zweitrangige Rolle , von der historischen Bedeutung ist nur noch ein starker Verdacht auf Wiederholung von rücksichtslosen Grausamkeiten in anderem Gewand übrig . Der Begriff soll ein Warnsignal für die Bedrohung einer Gemeinschaft durch unmenschliche Strenge sein .  Der inflationäre Gebrauch ist natürlich Hysterie und bei Dummheit im Gebrauch leicht zur Manipulation und Propaganda einsetzbar .

Lutz Herrmann / 28.01.2024

Tagespolitische Landgewinne. Tür an Tür möchten die antifaschistischen Aufmarschierer dann doch nicht mit den Erdoganjüngern und Schariapolizisten leben. Wer was auf sich hält, demonstriert gegen Ausländerfeinde und schickt seinen Nachwuchs auf Privatschulen oder zumindest in Musikklassen, wo Ausländer rar sind.

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