Hubert Geißler, Gastautor / 01.01.2024 / 10:00 / Foto: Pixabay / 22 / Seite ausdrucken

Neues vom Schrauber: Bauernkrieg im Schwäbischen, zweiter Akt

In Schwaben gibt es durchaus noch eine natürliche Verbindung zwischen städtischer Bevölkerung und Bauernschaft. Am Samstag rollten die Traktoren und Zugmschinen an – ganz ohne den Segen des Bauernverbandes. Doch trotz der Staus jubelte die Bevölkerung, die Medien ignorierten oder nahmen übel.

Unser erster Akt, der geplante Traktorentreff in Donauwörth am 8.1.2024, liegt ja noch in der Zukunft. Doch wie jeder seit dem Aufstieg des FCA weiß, ist das Zentrum Bairisch-Schwabens das nicht weit entfernte Augsburg, einst römische Provinzhauptstadt, Zentrale der Fugger, Ort vieler Reichstage, im 19. Jahrhundert Industriestadt (Papier, Maschinenbau und Textil) und heute sozusagen ein etwas preiswerter Vorort von München, mit Firmen wie MAN, Kuka oder Aerotec.

Nun findet Samstagabends regelmäßig, wie in unserem beschaulichen Heimatstädtchen, ein Coronaspaziergang statt, und am 30.12. gesellte sich zu unseren Lustwanderern noch eine erhebliche Kolonne von Bauern mit ihren inzwischen furchteinflößenden Traktoren, nebst abgesattelten Zugmaschinen von Fuhrunternehmen und dergleichen unbotmäßigem, aber erheblichem Hubraum.

Schon das Video über die Anfahrt auf der B2 war in gewisser Weise beeindruckend: Ein endlos scheinender Strom verschiedener Zugmaschinen, der sich letztlich durch die Maximilianstraße, die Prachtallee von Augsburg, schob. Und nun kommt's: Das alles unter dem begeisterten Jubel der Augsburger Bevölkerung, die den Zugmaschinen Beifall klatschte.

Presse und Bauernverband waren natürlich wenig begeistert: Hier war eindeutig der Pöbel ausgeschert und hatte sich auf gut Deutsch wenig um die Direktiven seiner offiziellen Leithammel gekümmert. Wie wir schon in unserem ersten Beitrag anmerkten, gibt es in Schwaben durchaus noch eine natürliche Verbindung zwischen städtischer Bevölkerung und Bauernschaft. Man hat Verwandte, man fährt in die westlichen Wälder und kommt mit Eiern und Kartoffeln zurück.

Zu allem Überdruss waren auf den verbreiteten Videos auch noch Deutschlandfahnenschwenker zu bemerken. Das war keine einfache Rebellion, das war eine Schwabellion. Die Augsburger Allgemeine beklagte sich dann auch über den durch den 7 Kilometer langen Protestzug erzeugten Stau, und den Anwohnern wurde durch das Dauergehupe der Schlummer geraubt: Was erlauben Bauer! Und das ohne Segen des Verbandes! Der Süddeutschen vom 30. 12. war die Chose keine Zeile wert. Man will ja möglicherweise keine Nachahmungstäter.

Der Protest organisiert sich außerhalb der gebahnten Trassen

Schon am 19.12. schrieb die Augsburger Allgemeine, die übrigens, soweit ich feststellen kann, als einzige überregionale Tageszeitung über die Großdemo berichtete: „Der Freie-Wähler-Chef ist als Wirtschaftsminister offiziell gar nicht zuständig, aber das kümmert ihn wenig. Aiwanger hat sich quasi selbst zum Bauernführer ernannt – rustikal im Umgangston, hemmungslos populistisch in seinen Forderungen. Und in der CSU geht die Angst um, bei der einstigen Stammkundschaft den Anschluss zu verlieren. Denn in diesen Tagen, in denen sich selbst Grüne und FDP an die Landwirte heranschmeißen, stellt sich mehr denn je die Frage, wer denn nun die einzig wahre Bauernpartei ist.“

Da haben wir es also: Was die Politik interessiert, ist, welche Partei sich an die Bauern "ranwanzen" und aus deren Missmut politisches Kapital schlagen kann. Mehr interessiert die nicht. Das könnte etwas kurz­sichtig sein.

Denn was zeigt der Vorgang im Kern? Der Protest organisiert sich außerhalb der gebahnten Trassen von Verbänden, Parteien und Gewerkschaften, die allesamt schon im warmen Bett des Staates liegend empfunden werden. Die Gewerkschaften zum Beispiel sind schon lange auf dem absteigenden Ast: Die Verbindung zu ihren Beitragszahlen haben die festangestellten Funktionäre, die heutzutage eher Sozialpädagogen/innen sind als gestandene Schrauber, längst verloren. Beispiel ist nicht zuletzt unser Landwirtschaftsminister Özdemir, ehemaliger Erzieher. Nun scheint sein Erziehungsauftrag etwas zu scheitern an den Dickschädeln der nicht nur bairischen Agrarier.

Fazit: Nicht nur das Parteigefüge in Deutschland scheint ins Rutschen zu kommen, auch Gewerkschaften, Verbände und dergleichen verlieren ihr Gestaltungsmonopol. Der Augsburger Bauernaufstand fühlt sich schon eher gelbwestenartig an. Man wird sehen.

 

Hubert Geißler stammt aus Bayern und war Lehrer für Kunst/Deutsch/Geschichte. Er schreibt diese Serie zusammen mit seinem Bruder. 

Bernhard Geißler gehört zu den sogenannten Fachkräften und Technikern, also zum gut ausgebildeten Teil der produktiven Arbeiterschaft, hier kurz „Schrauber“ genannt. Der arbeitet viel, kommt aber selten zu Wort, was diese Serie ein wenig wettmachen will.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Gabriele Klein / 02.01.2024

Nachträglich noch mein Dank für den wichtigen Beitrag.  Ich hoffe, dass wir vielleicht ein paar Gastbeiträge von betroffenen Bauern auf Achgut lesen können.

Wolfgang Schüler / 01.01.2024

Gegen diesen Feind unter einseitiger oenibler Einhaktung der Gesetze kämpfen zu versuchen, ust, wie mit gefesselten Beinen und einem fixuerten Arm in den Boxring zu steigen. Und verbundenen Augen. Und jemand hat vorher noch heimlich Rizinusöl in Ihre Trinkflasche getan. Wegen der Gaudi bei den Magenschwingeen ... Was macht ein Löwenrudel oder eine Nilpferdherde, , wenn sie einen Koyoten oder Schackal erwisxhen, wie er grad versucht, ein Neugeborenes zu schnappen ? Genau, in die Mangel nehmen,. Wenn dieser bekotzte Räuber jerzt mit heiserer Stimme krächzen würde ” DAS IST VERBOTEN ! ” - würde DIES die Löwen oder Nilpferde von ihrem dringenden Anliegen abbringen, ihre Kinder und Schwachen NACHHALTIG zu beschützen ? No way! Es würden die Fetzen fliegen. Der verhinderte Räuber hat ja klar gezeigt, was er von Gesetzen hält. Mit solchen idiotischen “Bekenntnissen zum Anstand” halten die sich nicht einen Sekundenbruchteil auf. Trotzdem sind sie keine Anarchisten - im Gegenteil, in ihren Gemeinschaften herrschen glasklare Gesetze, Ordnung, Aufgaben und Hierarchie.- die aber nur extrem selten angemahnt werden müssen, eben weil ihren gesunden Tierverstand haben. PS: sie werden auch nicht jammern ” Buuäöähhh, das wird doch eh nichts…huäääh wir haben doch eh keine Chance….heul…” PS2: - Spread love and understanding. - Reacher: ” Use force , if necessary.”

Sturm Peter / 01.01.2024

Mehr ist kaum zu erwarten. 75 Jahre lang wurden die deutschen Bauern zu Mädchen erzogen, die sich in die Binde machen, wenn se nur ne’n grünen Frosch überollen….

Wiebke Lenz / 01.01.2024

Auch bei uns in Vorpommern rumort es gewaltig. Am 08.01. sollen Autobahnzufahrten blockiert werden - wenn auch zunächst nur von 12:00 h bis 15:00 h. Und die “Brummis” wollen sich solidarisieren und den Rügenzubringer dichtmachen. Ich freu mich drauf - und hoffe, dass der “ein Generalstreik ist verboten” kommt. Denn ernsthafte Konsequenzen kann es für keinen der Protestler mit sich bringen, wenn man darüber nachdenkt. Alle entlassen kann man nicht, alle enteignen auch nicht.

Sabine Schönfeld / 01.01.2024

Die Bauern sind die Ersten. Die restliche Bevölkerung wird nach und nach folgen, alle haben Grund genug.

Peter Kuhn / 01.01.2024

Wenn die Vierte Gewalt noch so arbeiten würde, wie es die Väter des Grundgesetzes wohl vor Augen hatten, nämlich als Kontroll- und Kritikinstanz gegen staatliche Gewalt, dann könnten die Volksproteste einen gewissen Erfolg haben. Schon die Corona-Proteste mitten aus der Bürgerschaft haben aber gezeigt, wie wirkungslos diese Art von Willensbekundung war und ist. Hauptsächlich Ignorieren und ab und zu mit harten Polizeimaßnahmen Zeichen setzen, so antwortet der Staat. Die Institutionen in unserem Land sind so so fest gefügt und miteinander vernetzt, zudem noch mit willfähriger Justiz gestützt, dass die Proteste nutzlos im Sande verlaufen werden. Sämtliche Machtmittel, um unbotmäßige Bürger zu maßregeln, liegen in der Hand von Menschen, denen nur noch ihr eigenes Pöstchen und ihre ideologische Agenda am Herzen liegen. Wir haben unsere Demokratie, die sowieso nie zur vollen Entfaltung gekommen ist, endgültig verloren. Wenn z.B. die AfD weiter an Zustimmung gewinnt, weil sie erkennbar volksnah agiert, dann wird das Verbot kommen, wie früher das Amen in der Kirche. Das Verfassungsgericht ist schon längst auf Linie, da wird schon der erste ernsthafte Antrag von Erfolg gekrönt sein. Die Bestandsparteien werden sich doch nicht gefallen lassen, dass das Volk ihnen die Pfründe entzieht. Und wer erbt dann die Mandate, wie wird die Sitzverteilung aussehen, ohne AfD, wer bleibt übrig? Alle die, die unsere wirtschaftliche und politische Misere erzeugt haben. Demokratur und Unvernunft endgültig in Beton gegossen. Also fahrt mit Euren Traktoren und LKWs. Pro sit. Tut’s leider nicht.

Werner Baumschlager / 01.01.2024

ALLE Organisationen sind von den Parteien und diese wiederum von der globalen Einheitspartei der Superreichen unterwandert und gekapert. Die gehören im Prinzip ALLE als freie Variante neu gegründet.

Sam Lowry / 01.01.2024

8.1. Generalstreik! Wenn nicht jetzt, wann denn dann? Diese Regierung muss weg! Egal wie… Art. 20 (4)

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