Gerd Held / 06.10.2023 / 06:15 / Foto: Jomegat / 104 / Seite ausdrucken

Deutschland: Not durch falsche Ziele

Deutschland ist auf einem Kurs, der immer größere Opfer fordert. Die Opferbereitschaft der Bürger sinkt. Doch ein Kurswechsel bleibt aus, weil vielen nicht klar ist, dass die Not durch falsche Ziele entsteht – zum Beispiel beim Thema Klima und Migration. 

Ist Deutschland an einem „Kipppunkt“? Manches scheint darauf hinzudeuten. Die Meinungsumfragen zur politischen Stimmung in Deutschland zeigen einen starken Vertrauensverlust für die Regierenden. Die Kritik macht sich fest an krassen Fehlleistungen wie dem „Heizungsgesetz“. Sie ist scharf, was bestimmte Personen und Parteien betrifft. Sie wird bestärkt durch die wirtschaftliche Rezession. Allerdings reicht dieser Vertrauensverlust noch nicht so tief, wie die Rede vom Kipppunkt suggeriert. Die großen Ziele, die den jetzigen Kurs des Landes bestimmen, werden noch kaum infrage gestellt. So gibt es im Vertrauensverlust eine schwerwiegende Lücke: Zwischen den Opfern und den Zielen wird noch keine Verbindung hergestellt. Die Ziele gelten „an sich“ noch als gut und alternativlos, während die Opfer bloß als „Murks“ bei der Umsetzung angesehen werden.

Deshalb ist das Land in diesem Herbst 2023 weit davon entfernt, seinen Kurs zu korrigieren. Es ist hin- und hergerissen zwischen Vertrauensverlust und fortbestehendem Vertrauen. Die Mehrheit der Bürger schwankt zwischen der Ablehnung von Maßnahmen, deren zerstörerische Wirkung sie ganz handfest spüren, und dem Glauben an ein Weltdrama, in dem große Bedrohungen nur durch große Opfer gelöst werden können. Eine Abwägung von Opfern und Zielen, die zu dem Schluss führen könnte, dass die Ziele die Opfer nicht wert sind, kommt so gar nicht zustande. So bleibt das Land in einem unlösbaren Drama gefangen, das es immer wieder zu neuen Opfergängen treibt. Die Lage ist also noch nicht reif für einen Kurswechsel. Aber man sollte sich nicht dazu verleiten lassen, den Deutschen irgendeine besondere moralische Schwäche anzudichten. Vielmehr sollte man verstehen, dass es nicht leicht ist, das Szenario der ultimativen Bedrohungen und letztmöglichen Rettungen hinter sich zu lassen.   

Wie „unsere Ziele“ zu einer unanfechtbaren Macht wurden

Die „Klimapolitik“ zeigt exemplarisch diese Gefangenschaft. In ihrem Namen erfolgen die tiefen Eingriffe in Produktionsenergie, Verkehr, Heizung, die die Bürger als Angriff auf ihre Existenz ansehen. Diese Eingriffe werden gerechtfertigt, indem ein globaler „Klimakollaps“ als große und akute Gefahr beschworen wird, vor der alle Opfer des Landes klein erscheinen. Zugleich wird eine große Rettung in Gestalt der „erneuerbaren Energien“ in Aussicht gestellt, die angeblich zum Greifen nahe ist – wenn man nur mit höchstem Tempo Windräder, Wärmepumpen etc. baut. Dann, so wird weiter versprochen, werden wir ein neues Wirtschaftswunder wie nach dem Zweiten Weltkrieg erleben, den sogenannten „Green Deal“. Und da dies Wunder nur von unserem Willen („ehrgeiziges Ziel“) abhängt, können wir den Übergang mit einer Sonderverschuldung (einer Art Kriegsanleihe) bewältigen, die einfach vorgreifend als „Sondervermögen“ verbucht wird. So ist ein gewaltiges, geschlossenes Szenario entstanden, aus dem es kein leichtes Entrinnen gibt.

Mit der Klimapolitik wurde in Deutschland ein System von Zielen installiert, das wie eine Art zweite Verfassung funktioniert. Dies System steht außerhalb jeder Abwägung mit anderen Aufgaben und Rechtsgütern. In der politischen Rede wird die Formel „Wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen, müssen wir…“ inzwischen wie ein Mantra heruntergemurmelt. Man geht davon aus, dass niemand es wagt, „unsere Klimaziele“ infrage zu stellen. Dabei reicht die Kombination von größtmöglicher Bedrohung und größtmöglicher Rettung so weit ins Spekulative, dass sie im Grunde gar nicht widerlegbar ist.

Wenn der gesunde Menschenverstand einwendet, man brauche für einen so komplexen Gegenstand wie dem Weltklima eine viel umfangreichere und längere Forschung, und auch bei den erneuerbaren Energien müsse man erst langsam Erfahrungen mit der Leistungsfähigkeit und Stabilität dieser Technologie machen, wird ihm ein atemloses „Wir haben keine Zeit! Es ist eigentlich schon zu spät!“ zugerufen. Wer darauf verweist, dass in der Wende-Hast gut funktionierende Betriebsanlagen, Kraftwerke, Fahrzeuge und Heizungen zum alten Eisen geworfen werden und eine gigantische Wertvernichtung stattfindet, wird auf die goldene Subventions-Brücke verwiesen, die alle Verluste bezahlbar macht – auf Pump.

So zeigt das Klima-Drama exemplarisch, was den jetzigen Kurs des Landes im Innersten zusammenhält. Die Kombination aus finstersten Bedrohungen und sonnigsten Rettungen macht die Welt zu einem Schauplatz der Zwänge. Die immensen Opfer sind keine „Fehler“, sondern ergeben sich ganz logisch aus diesem Szenario. Solange dies Szenario nicht infrage gestellt wird, findet der Opfergang dieses Landes kein Ende. Und der Ausstieg aus diesem Zwangsdrama kann nicht als ein schneller „Ruck“ geschehen, sondern nur als ein allmählicher, zäher Erfahrungsprozess. Die Behauptung, dass wir mit der Klimapolitik auf einem guten Weg sind und die Opfer allmählich weniger werden, lässt sich nicht theoretisch entkräften, sondern nur durch die realen Erfahrungen mit dem Opfergang. Ebenso lässt sich die Behauptung, dass wir vor einem Klimakollaps stehen, nur durch die Erfahrung entkräften, dass trotz extremer Wetterereignisse das Leben auf dieser Erde weitergeht.

„Regieren am Limit“?

Am Montag, den 11. September 2023, präsentierte die ARD zur besten Sendezeit einen Film mit dem Titel „Ernstfall – Regieren am Limit“. Im Vorstellungstext der ARD hieß es: „Die deutsche Regierung unter Olaf Scholz kämpft in Zeiten des Krieges in Europa mit großen Herausforderungen wie der Unterstützung der Ukraine, der Sicherstellung der Energieversorgung, der Bekämpfung der Inflation und der Klimakatastrophe.“

Der Film war kein Fernsehspiel aus der Welt literarischer Phantasie, sondern wurde dem Publikum unter der Bezeichnung „Dokumentarfilm“ präsentiert. Wie selbstverständlich ist hier vom „Krieg in Europa“ oder der „Klimakatastrophe“ die Rede – als wäre so ein Krieg und so eine Katastrophe bereits eingetreten. Und der Kanzler „kämpft“. Das ist Notstands-Sprache, obwohl ein solcher Notstand gar nicht parlamentarisch-demokratisch festgestellt wurde, wie die Gesetze dieses Landes es fordern.

Wetterextreme, Hungersnöte, Epidemien, Militärinterventionen sind zunächst einmal begrenzte Krisen. Aber in unserer Zeit herrscht eine fatale Neigung, solche begrenzten Krisen zu fundamentalen Weltdramen zu steigern, die dann von einem Punkt aus gelöst werden sollen. Den Wetterextremen will man begegnen, indem weltweit alle fossilen Energieträger ausgeschaltet werden. Der Migrations-Krise will man Herr werden, indem man sie steigert und anstelle selbstverantwortlicher Nationen ein globales „Menschenrecht“ auf Asylsuche ausruft. Und auch in der Ukraine-Krise scheint die Lösung nur in einem Steigern zu liegen: Ein begrenzter militärischer Konflikt ist Anlass, um einen neuen Weltkampf zwischen einem „Reich der Freiheit“ und einem „Reich der Autokraten“ auszurufen. Wir hatten schon Zeiten, in denen eine friedliche Koexistenz unterschiedlicher Systeme als Ordnungsprinzip der Welt akzeptiert wurde. Nun aber soll es nur noch eine einzige Gesamtsystem-Lösung geben.

So werden die Räume der Welt gleichgeschaltet und eng gemacht. Und zugleich werden die Zeiten der Welt dramatisch verkürzt. Überall regiert die Vorstellung, dass wir eigentlich keine Zeit mehr haben für langsame Entwicklungen – weil wir „terminalen“ Katastrophen „zuvorkommen“ müssen. Überall werden die Uhren auf „5 vor 12“ gestellt. Wir befinden uns in einer Art Wettlauf mit einer ablaufenden Zeit. Und daraus wird dann gefolgert: Lieber jetzt ein heftiger, schmerzvoller Eingriff – und dann haben wir es geschafft. So sind absurde Fristen für die Durchsetzung einer „Klimaneutralität“ beschlossen worden. Auch die „Null-Covid-Politik“, die zeitweise in Deutschland gefordert wurde, war von dieser Bauart: ein radikaler Lockdown, und dann sollte die Gefahr ein für allemal vorbei sein. Und in der Ukraine-Krise gibt es die Neigung zu einer „Null-Russland-Politik“: Eine militärische, politische, wirtschaftliche und kulturelle Offensive soll Russland völlig zu Boden werfen, und damit soll Frieden herstellbar sein.     

In Wahrheit wird ohne Limit regiert

Kann man, angesichts dieser Entwicklungen, die Regierungsform unserer Zeit als „Regieren am Limit“ bezeichnen? Das ist eine krasse Verharmlosung. Wo gibt es denn im heutigen Regieren ein Limit? Wo gibt es eine Grenze, die diese Regierung in Beachtung der Ressourcen und Kräfte dieses Landes verlässlich festgelegt hat? Wir sehen an den verschiedensten Fronten nur ein Steigern der Einsätze. Nichts ist gelöst. Die als „gelöst“ verbuchten Krisen – wie die Migrationskrise und die Schuldenkrise – kommen in verstärkter Form zurück. Deutschland ist ein Land geworden, das ohne Limit regiert wird. Unsere Nation, und auch manch andere Nation, ist auf einen Kurs gebracht worden, der schon weit jenseits jeder vernünftigen Grenze verläuft. Und es werden auch keine Anstalten gemacht, die verlorene Grenze wiederzufinden und in diese Grenzen zurückzukehren.

Das aber liegt an der Art der Ziele, die als „unsere Ziele“ Tag für Tag vor der Nation beschworen werden. Denn in diesen Zielen gibt es gar keine Begrenzung. Sie gelten absolut und bedingungslos. In diese Ziele ist gar kein Haltepunkt eingebaut. Es gibt kein Gegengewicht, das es erlauben würde, die Ziele zu relativieren. So wird der Einwand, dass die Verwirklichung der Klimaziele beim gegenwärtigen Stand der Technik zu einem Einbruch der Produktivität der Betriebe und der Tragleistung der Infrastrukturen führt, dadurch vom Tisch gewischt, dass „unsere Klimaziele“ ein ungleich höheres Gut seien – weil „der Planet“ oder gar „die Natur“ auf dem Spiel stehen. Und gegen den Einwand, dass die Aufnahmekapazität unserer Kommunen begrenzt ist und es deshalb eine Obergrenze für Asylbewerber geben muss und damit auch die Zurückweisung an Grenzen, genügt die Beschwörung des Absolut-Ziels, dass angesichts bedürftiger Menschen alle anderen Anliegen zurückstehen müssen – koste es, was es wolle.

Das Land kann in eine Katastrophe rutschen

Dadurch, dass Deutschland unter die Herrschaft absoluter Ziele gestellt wurde, ist unsere gesamte staatliche und wirtschaftliche Grundaufstellung entwertet worden. In diesem Sinn leben wir nicht mehr in der Bundesrepublik, sondern in einem programmierten Land – „purpose driven“ heißt das im Neusprech unserer Gesellschaftslenker. Von hier droht die Gefahr, dass der jetzige Opfergang noch ein viel größeres Ausmaß bekommt. Das hängt auch mit der Tatsache zusammen, dass der Mechanismus von maximalen Drohungen und Rettungen sich sozial, kulturell und institutionell verfestigt hat. Ein beträchtlicher Sektor der Gesellschaft wirkt an diesem Mechanismus mit und profiliert sich durch ihn. Kulturell hat sich vielerorts die Neigung durchgesetzt, die vormals unabhängigen Komplexe der Wissenschaft, der Kunst und der Medien in den Dienst der „höheren“ Ziele zu stellen. Institutionell gibt es inzwischen höchstrichterliche Urteile, die dem Parlament und der Regierung detaillierte Vorgaben machen, wie das Klimaziel umzusetzen ist. Urteile, die unseren Verpflichtungen und Vorleistungen in der Schuldenkrise, in der Migrationskrise oder in der Ukraine-Krise verlässliche Verfassungs-Grenzen setzen, gibt es nicht. 

So kann das Land zu immer größeren Opfern geführt werden, ohne dass es darauf reagieren kann – denn die großen Ziele wurden ohne das Gegengewicht anderer Güter und Rechte installiert, das ein Abwägen erzwingen könnte. Ja, dieses Land kann in eine wirkliche Katastrophe rutschen. Um diese kritische Situation unseres Landes zu ermessen, reicht es nicht, auf Krisenerfahrungen der 1970er Jahre zurückzukommen. Die heutige Lage ist verfahrener. Die Kräfte, um aus ihr herauszufinden, müssen erst neu entwickelt werden. Und es ist ja nicht Deutschland allein, das in einer solchen Gefangenschaft steckt

Der späte Ausweg aus der Urkatastrophe von 1914

Vielleicht ist ein Vergleich mit der Situation zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die dann in die europäische „Urkatastrophe“ von 1914 mündete, hilfreich. Damals wuchsen die sozialen und nationalen Feindbilder. Es gab auch ein Fremdeln mit der industriellen Moderne, obwohl diese Moderne schon das schlimmste Elend des 19. Jahrhunderts gemeistert hatte und sich die Situation in Fabriken und Großstädten stabilisiert hatte. Dennoch breitete sich eine kulturelle Stimmung von Hysterie und Hybris aus, die dann zu einer längeren Periode von Weltkrieg und Bürgerkrieg führte. Die Welt hatte sich verengt, und es gelang längere Zeit nicht, einen Ausweg aus der Übersteigerung von Gefahren und Heilszielen zu finden.

Aber dann, in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, wurde er doch gefunden. Dabei sollte man eine geschichtliche Tatsache festhalten: Es war kein Ausweg mit einer „großen Transformation“ oder ähnlichen wundersamen Rettungen. Der Ausweg bestand in einer Abrüstung der großen Gefahrenbeschwörungen und Heilserwartungen. In diesem Sinn kann es hilfreich sein, sich das kritische Datum 1914 wachzurufen: Die Lösung kann nur in einer Abrüstung der absoluten Ziele bestehen.

Eine Schneller-Schneller-Rede

Die Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestag ist immer eine Schlüsseldebatte, in der es – ob die Redner es wollen oder nicht – um die Lage der Nation geht. Anfang September 2023 hat eine solche Debatte stattgefunden. Der Bundeskanzler hat einen „Stillstand“ im Lande beklagt und „eine nationale Kraftanstrengung“ gefordert: „Die Bürgerinnen und Bürger sind diesen Stillstand leid. Und ich bin es auch.“ Er hat also eine Beschleunigungsrede gehalten. Eine Schneller-Schneller-Rede. Und der Leitartikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 7. September (Jasper von Altenbockum) stößt ins gleiche Horn: Die Koalition müsse erst zusammenrücken, „um energisch in Angriff nehmen können, was sie sich vorgenommen hat“. Die Liste der Vorhaben, „die nach Fortschritt und Tempo schreien“, werde lang und länger, heißt es im Leitartikel. Aber ist „mehr Tempo!“ wirklich das Gebot der Stunde? Soll etwa die „Klimaneutralität“ noch schneller umgesetzt werden? Sollen die Migrantenströme, die an der Südgrenze nicht aufgehalten werden, schneller in Europa verteilt werden? Soll die Ukraine angesichts einer stagnierenden Offensive noch schneller aufgerüstet werden?

Nein, etwas ganz Anderes wäre jetzt geboten. Die deutsche Nation braucht ein Innehalten, um den Weg, auf den sie sich begeben hat, zu überprüfen. Bestimmte Ziele, wie der Ausstieg aus den Basis-Technologien „Verbrennungsmotor und Verbrennungsheizung“ müssten aufgeschoben werden. Angesichts fundamentaler Unsicherheiten und einer schnell anwachsenden Kostenlawine wäre ein Moratorium bei der „Klimawende“ angebracht.

Doch der Kanzler will der Nation ein solches Innehalten zur Überprüfung der beschlossenen Ziele nicht gewähren. Er will in einem Moment, in dem die Zweifel wachsen, in dem aber ein großer Teil der Opposition die Ziele noch nicht infrage stellen mag, schnell die Reihen schließen. Er will den Bundestag und mit ihm die Bürger auf dem jetzigen Erkenntnis-Stand festhalten und für die unerreichbaren und sinnlosen Ziele in die Pflicht nehmen. Nur zu diesem Zweck wird jetzt ein „Deutschlandpakt“ ins Gespräch gebracht.

 

Dr. rer. pol. Gerd Held, geb. 1951, studierte Sozialwissenschaften sowie Sozialphilosophie und promovierte und habilitierte an der Universität Dortmund, wo er zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter und später als Privatdozent tätig war. Von 2008 bis 2015 war er Leitartikler und Essayist bei der Tageszeitung „Die Welt“. Seit 2016 war er als freiberuflicher Publizist tätig (u.a. für „Die Achse des Guten“ und „Tichys Einblick“). Er lebt in Berlin.

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B. Ollo / 06.10.2023

Wir sind also bereits in der Phase, wo es heißt, die Ziele wären gut, nur die Umsetzung ist scheiße. Das kennen wir und macht Hoffnung. Demnach ist die ganze Scheiße also bald vorbei.  Was am Ende übrig bleibt? Der durchgeknallte harte Kern der 100-Prozetigen samt Rest ihrer Partei und ein riesiger Haufen Schulden als kleine Erinnerung und Denkzettel für unsere eifrige Jugend. Möge sie sich in Armut und Demut an ihre Hybris erinnern. Die Erde dreht sich weiter.

Norbert Berning / 06.10.2023

„Und der Ausstieg aus diesem Zwangsdrama kann nicht als ein schneller ‘Ruck’ geschehen, sondern nur als ein allmählicher, zäher Erfahrungsprozess.“ Das kann – und wird wohl auch – schneller gehen, siehe die gerade abschmierenden Bereiche Wirtschaft und Kommunal-Finanzen (und dazu auch meinen Kommentar zu „Lost in Frustration“).

Bernd Neumann / 06.10.2023

Gerd Held, der ansonsten hier einen wie immer brillanten Text verfaßt hat, irrt hinsichtlich der Bewältigung der deutschen/europäischen Urkatastrophe von 1914 mit dem Ende des 2. Weltkrieges. Die damals gefundene „Lösung“, nämlich Jalta, war noch um einiges drastischer und radikaler zulasten der Deutschen als wie Versailles 1919. Sie war für dieses Land noch unerträglicher als die nach dem 1. Weltkrieg, weil sie es auch quasi beseitigte. Der Lerneffekt gegenüber den 1920ern bestand in den 1950ern und vor allem ab 1968 darin, sich transzendent als Deutsche aufzulösen und zu einem Teil der Sieger zu machen, das Opfer also ins unendliche zu steigern und so aufzulösen. Das kumulierte in von Weizsäckers fataler Umdeutung der Niederlage in eine „Befreiung“ was heute offizielle Staatsräson ist. Einher ging diese mentale Selbstabschaffung mit der physischen über die gewollte Kinderlosigkeit. Insoweit ist die alte, von Publizisten wie Gerd Held (oder Tichy et al) verklärte alte Bundesrepublik das exakte Role Model für das heutige Deutschland, und nicht seine Gegenposition.

Klaus Keller / 06.10.2023

An Michael Müller : Zitat “Ich bin ein Mann ohne Moral.” +++ Mich interessiert die Handlungsebene und nicht das System das jemanden dazu veranlasst sich an die Regeln zu halten. Moral oder Empathie kann handlungsleitend sein ist aber nicht unbedingt zuverlässig da beide an Emotionen gebunden sind. Emotionslose “Psychopathen” können ausgezeichnete Chirurgen sein die zuverlässig das verunfallte Kind operieren können auch wenn im Raum daneben jemand anderes schreit. Meine Physiotherapeutin fragte mich ob mein Chirurg gut sei, von ihm habe sie so unfreundliche Dinge gehört. Ich habe ihr geantwortet: Soll er nach ihrem Knie schauen oder wollen Sie mit Ihm essen gehen. Da hat sie gelacht. Ich war mit meinem rational handelnden Chirurgen sehr zu frieden auch wenn er so gar nicht empathisch wirkte. Dazu muss man manchmal nur lächeln wenn konzentriert arbeitet. Mein Urologe konnte das ganz ausgezeichnet. Es sind oft nur zufällige äußere Merkmale die uns wichtig erscheinen. Im Zweifel ist die Handlungsebene das wichtigere Kriterium. Gerade auch bei Politikern. Helmut Schmidt war ggf ein “Psychopath” in diesem Sinn.

A. Ostrovsky / 06.10.2023

@Michael Müller : >>Ich bin ein Mann ohne Moral. Ich habe mich schon vor mehreren Jahrzehnten für ein Leben ohne Moral entschieden. Genau wie Nietzsche war ich der Meinung, dass Moral für einen Gott oder die Götter nicht gilt.<<  Achso. Na dann ist ja alles klar.

Klaus Keller / 06.10.2023

Urkatastrophe von 1914. Ich will die Schrecken dieses Krieges nicht klein reden, ich habe aber den Eindruck das die Zerschlagung von gesellschaftlichen Strukturen, also eine Reaktionen auf den Krieg, Kern des späteren Problems in Deutschland war und nicht der Krieg selbst. In Russland sowieso. PS Die Idee der Beschleunigung führte lt Prof. Münkler zu strategischen Fehlern im ersten Weltkrieg weil man glaubte schnelle Entscheidungen herbeiführen zu müssen. Man war überzeugt einen längeren Zweifrontenkrieg nicht durchstehen könnte. Deswegen Verletzung der belg. Neutralität um gegen Frankreich einen schnellen Sieg zu erringen. (Anstatt im Westen Defensiv zu agieren.) +++ Die Idee des Innehaltens in diesem Krieg gegen alles und nichts unter Missachtung der Eigensicherung ist ein begrüßenswerter Vorschlag.

W. Renner / 06.10.2023

Nicht alles so negativ sehen. Die beste Regierung in der besten DDR aller Zeiten, hat dafür gesorgt, dass die Karrierechancen für Opfer exponentiell gestiegen sind. Endlich kann jeder wieder ohne eigenes zu tun Opfer werden.

Sam Lowry / 06.10.2023

@Gert Lange: Ja. Ganz sicher. Rentner vertreiben, Zuwanderer in deren Häusern und angeblich zu großen Wohnungen unterbringen. Rentnern droht die Obdachlosigkeit, falls sie keinen Heimplatz finden. Mir der Suizid, wenn ich hier bei meinem behinderten Vermieter die Wohnung verliere, weil es keine neue mehr geben wird. Die Abzocker der SÜWAG verlangen mittlerweile 350 Euro Gas/Monat, obwohl wir fast nichts verbrauchen und die Gaspreise gesunken sind. Das ist alles Plan. Aber wir werden bis zuletzt kämpfen, egal wie. Und am bitteren Ende kann hier eh keiner mehr wohnen! Sicher…

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